Tag der Befreiung
Zu Ostern sollte man fröhlich aus der Kirche kommen, findet Heinz Eggert, Pfarrer i. R., Oybin
Als ich vor sehr vielen Jahren in einer russisch-orthodoxen Kirche, ein wenig berauscht von den Gesängen und Düften, die Osternacht mitfeierte, lachte auf einmal die ganze Gemeinde laut und aus vollem Herzen auf und klatschte sich vor Freude auf die Beine.
Da mein Russisch nicht so gut ist – das heißt, ich kann es eigentlich überhaupt nicht mehr –, hatte ich nicht verstanden, worum es ging. Das wurde mir dann schnell begreifbar gemacht. Meine Nachbarn kitzelten mich einfach und schauten mich aufmunternd an, doch endlich mit ihnen zu lachen. Es gab einen Grund. Sie lachten über den Tod.
Sie hatten gerade vom Priester gehört, dass der Tod seit dem Osterereignis keine Macht mehr über den Menschen hat. Dieses gemeinsame Lachen war für mich sehr anschaulich. Es schien, als hätten alle – selbst die alten Mütterchen, die dem Tod zeitlich am nächsten standen – die Angst vor ihm verloren. Ihre würdevoll zerknitterten und lachenden Gesichter zeigten ihre Freude darüber, dass sie über das lachen konnten, was ihnen die größte Angst machte. Das macht stark, zumindest für den Augenblick.
Warum haben in der Bibel die Frauen als Erste von der Auferstehung Jesu erfahren? Gott wollte, dass es sich schnell herumspricht!
Als Gläubige lachten sie die Angst vorm Sterben regelrecht weg, schließlich hatte Jesus den Tod besiegt. Der Tod hatte sich an ihm „verschluckt“. Sie nahmen den Tod nicht mehr todernst. Befreiendes Lachen hat immer einen ernsthaften Grund. Das kennen wir. So wie die politischen Witze in einer Diktatur ja auch. Denn Diktaturen nehmen sich immer sehr ernst und sind von äußerster Humorlosigkeit geprägt. In dem man über sie lacht, nimmt man sie nicht mehr so ernst, wie sie es gerne möchten. Ihr Einfluss sinkt. Der Grundgedanke des Osterlachens ist ja nicht neu. Schon im Spätmittelalter stand das Osterlachen in hoher Blüte. Die Priester gackerten wie die Hühner, erzählten schlüpfrige Anekdoten, machten Handstände auf der Kanzel, um das Kirchenvolk zum Lachen zu bringen. Da war noch was los im Gottesdienst. Die Botschaft des Wortes wurde fühlbar und sichtbar ergänzt. Der Zweck heiligte hier die Mittel, und die Pointe diente der Auferstehungsbotschaft als Brücke. Die Auferstehung Christi, als „Ausdruck von Gottes Gelächter über den Tod“, sollte anschaulicher vermittelt werden. Völlig klar, dass das nicht allen gefiel.
Denn für manche Pfarrer war dieser Brauch auch ein recht willkommenes Geschenk, an ihren Vorgesetzten Kritik zu üben und ihrem Ärger Luft zu machen, weshalb die Obrigkeiten einschritten. Wenn es um die eigene Autorität oder Macht geht, findet man immer Begründungen zum Verbot.
Kommen ein Busfahrer und ein Pastor an die Himmelspforte. „Du kommst sofort herein“, sagt Petrus zum Busfahrer. Der Pfarrer ist enttäuscht. „Nun habe ich mein Leben lang für das Reich Gottes gearbeitet, habe gepredigt und getauft und konfirmiert. Trotzdem kommt dieser einfache Busfahrer sofort in den Himmel, während ich noch warten muss.“ „Tja“, sagt Petrus, „wenn du gepredigt hast, haben alle geschlafen. Aber wenn der Busfahrer seinen Bus gefahren hat, haben alle gebetet.“
Denn Kirche scheint doch eine ernste Angelegenheit. Das liegt vielleicht auch ein wenig an ihrem ehrwürdigen Erscheinungsbild. Darf man in einer Kirche Witze machen und darüber lachen?
Sollte es nicht moralisch und gesetzlich zugehen? Darf man über Glaubensdinge lachen? Die Gegenwehr setzte schon damals ein. Für einen Lachausbruch während eines Gottesdienstes wurde eine Fastenwoche als Strafe eingeführt. Für Lachen während des feierlichen Chorgebetes wurde sogar der Kirchenausschluss vorgesehen. Lachen tötet die Furcht, dachte man früher. Und wenn es keine Furcht mehr gibt, dann gibt es auch keinen Glauben mehr.
Wer den Film „Der Name der Rose“ gesehen hat, dem wird dieser Konflikt nicht entgangen sein. Aber könnte es nicht auch umgekehrt sein, dass Furcht den Glauben zerstört? „Würden die Christen erlöster aussehen, dann würden auch mehr Menschen an die Erlösung glauben“, sagte einst Nietzsche.
Unser Professor, mit dem wir damals über Gott und die Welt diskutierten, erklärte uns Studenten immer: „Wenn Ihr vom Himmel predigt, lasst Euer Gesicht strahlen. Wenn Ihr von der Hölle predigt, genügt Euer normales Aussehen.“ Wie soll man bei diesen Aussagen ein ernsthafter Christ werden? Andererseits: kann man jemanden, der über sich selbst nicht lachen kann, ernst nehmen?
„Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht.“ – Albert Schweitzer
Aber das fragen sich ja nicht nur die Christen. Diese Diskussion gibt es auch in anderen Religionen. Auch bei den Moslems. Wer glaubt, sie seien humorlos, der irrt. Über den Propheten Mohammed wird erzählt, dass er Witze erzählt hat und dabei so laut lachte, dass seine Weisheitszähne blitzten. Auch die muslimischen Narren und Mystiker des Mittelalters waren zu scharfem Witz aufgelegt. Kann der Islam als eine Religion angesehen werden, die nach dem Vorbild ihres Stifters den Gläubigen das Lachen empfiehlt? Meine muslimischen Freunde sagen: ja. Unter einer Bedingung: Wenn wir lachen, dann zusammen und nicht übereinander.
Und wenn wir uns über das Vorletzte – uns einbegriffen – lustig machen, müssen wir dafür sorgen, dass das Letzte und Heiligste unantastbar und heilig bleibt.
Wie es auch sei. Zu Ostern sollte man aus der Kirche fröhlicher herauskommen, als man reingeht. Für uns alle steht das große Lachen noch aus.
„Ich bin Agnostiker. Ich glaube an nichts, bin aber bereit, an alles zu glauben. Es ist mir unmöglich zu glauben, dass Gott nicht existiert, und es ist mir unmöglich zu glauben, dass er existiert. Ich hoffe auf Gnade“, sagte mal Eugène Ionesco.
Frohe Ostern!
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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