Sachsens evangelischer Landesbischof Carsten Rentzing warnt nach den Ausschreitungen in Chemnitz vor einer weiteren Verrohung des Diskurses. Ein Todesopfer zu instrumentalisieren, sei »zutiefst erschütternd und befremdlich«, sagte Rentzing dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag in Dresden. Das Geschehen bei den Demonstrationen in Chemnitz vom Sonntag und Montag sei aus seiner Sicht »nur zu verurteilen«.
In Chemnitz war es am Montagabend den zweiten Tag in Folge zu gewaltsamen Demonstrationen gekommen. Auslöser war ein tödlicher Messerangriff auf einen 35-jährigen Deutschen in der Nacht zum Sonntag. Gegen zwei mutmaßliche Täter, einen 22-jährigen Iraker und einen 23-jährigen Syrer, war am Montag Haftbefehl erlassen worden.
Bereits am Sonntag waren in Reaktion auf die Messerattacke rund 800 Menschen durch die Chemnitzer Innenstadt gezogen. Auf Videos von Augenzeugen waren regelrechte Jagdszenen auf Menschen ausländischen Aussehens zu sehen. Am Montag zogen laut Polizei rund 6.000 Rechtsgerichtete und etwa 1000 Gegendemonstranten durch die Stadt. 20 Menschen wurden verletzt.
Bischof Rentzing sagte, Erschütterung über die Messerattacke sei »natürlich vollständig nachvollziehbar«. Er selbst sei zutiefst entsetzt und betroffen. Auf der anderen Seite gebe es in Sachsen »eine große Schar an gewaltbereiten Rechtsextremisten, die durchs Land ziehen und solche Gelegenheiten ausnutzen«, fügte der Bischof hinzu. Gegen diese vorzugehen, sei nun auch für die staatlichen Stellen das Gebot der Stunde.
Mit Blick auf die Proteste vom Sonntag sagte Rentzing, die christliche Botschaft des Friedens und der Barmherzigkeit wende sich auch an diejenigen, »die dort mit erkalteten, mitleidslosen und unbarmherzigen Herzen jagend durch die Stadt ziehen«. Jedoch müsse man auch »nüchtern bekennen, dass diese Personen durch unsere Botschaft vermutlich nicht erreicht werden«, so Rentzing.
Von den staatlichen Stellen forderte der Landesbischof ein entschiedenes Vorgehen gegen Gewaltbereite und Straftäter unter den Demonstranten. Von zivilgesellschaftlicher Seite gelte es, an die Mitmenschen zu appellieren, einen warmen Blick zu bewahren und sich nicht in Hass- und Rachegedanken zu flüchten.
»Wir müssen aufpassen, dass wir in unserer Gesellschaft nicht noch weiter auseinanderdriften«, sagte der Bischof dem epd weiter. Es sei vollkommen inakzeptabel und mit einem christlichen Gewissen nicht vereinbar, wenn »pauschal ganze Bevölkerungsgruppen zu Verbrechern deklariert werden«, sagte Rentzing: »So kann eine Gesellschaft nicht in die Zukunft gehen.«
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