Gert Flessing schreibt:
02. Juni 2015, 18:00
Lieber Herr Flessing, liebe Britta, liebes Publikum,
zwei Dinge.
1. Wir hatten das Thema Gebet ja schon einige Male. Im Forum zur Bischofswahl gab es zwei Aspekte. Einmal, Britta, haben Sie gemeint, Sie hätten um den rechten Kandidaten gebeten – und verbanden dies mit der Aussage: " … ein Zeichen zu geben, ob nun das "alte Bibelverständnis" oder die "neue Auslegungsvariante" in seinem Sinne sei. Und das war alles ehrlich gemeint!" Und A. Rau schrieb: "Lieber Paul, ich höre gerade aus erster Hand, dass im A-Lager gebetet worden sei "wie verrückt" - und nun sitzen diese frommen Christen fassungslos da und begreifen nicht, was passiert ist. Es sieht so aus, als sei Bischof Rentzing der fliegende Berg, den Sie von A immer eingefordert haben? Von daher schlage ich vor: Klagen Sie nicht, sondern staunen Sie mit uns + akzeptieren, dass Gott manchmal (zwar selten, aber manchmal doch) anders handelt, als Sie das wünschen. Fassungslos A.Rau" Mithin gehen Sie von einem Zeichen Gottes aus – und Sie, liebe Britta, sehen darin eine Bestätigung eines bestimmten Bibelverständnisses (Auf die Unstimmigkeit im Blick auf das Pendel wies ich schon hin.). Soweit so gut. Und nun passierte etwas wirklich witziges. Auf meine Bitte, nun doch aber noch ein bisschen weiter zu beten – und zwar für wirklich wichtige Dinge – schrieb einer, der sich hier immer gern als bibeltreuer Christ tarnt: "Es ist wie immer, wenn es konkret und praktisch wird, weicht man lieber in irgendein philosophisches Allerweltthema aus, auf das man aber selbst keinen bis wenig persönlichen Einfluss hat!" Und auf die berechtigte Frage des Gastes (Des wievielten eigentlich?): "Heißt das, Gebete helfen nur, wo man persönlichen Einfluss hat?" kam eine der üblichen und dümmliche Antworten.
Und nun kommen Sie, Herr Flessing. Ich kann das alles nachvollziehen. Ich verstehe das Bedürfnis. Aber es bleibt das epikureische Trilemma: "Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht, oder er kann es und will es nicht, oder er kann es nicht und will es nicht, oder er kann es und will es. Wenn er nun will und nicht kann, so ist er schwach, was auf Gott nicht zutrifft. Wenn er kann und nicht will, dann ist er mißgünstig, was ebenfalls Gott fremd ist. Wenn er nicht will und nicht kann, dann ist er sowohl mißgünstig als auch schwach und dann auch nicht Gott. Wenn er aber will und kann, was allein sich für Gott ziemt, woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht weg? (Der Gedanke findet sich hier: http://a.sonntag-sachsen.de/2012/07/19/erst-horen-dann-reden/comment-pag... )" (Und ich persönlich habe die scheinfrommchristlichen Antworten der Nichtbetroffenen zum Kotzen satt!) Sie meinen, Gott könne eingreifen. Ich frage: Warum greift er so oft nicht ein? Warum hilft er den Satten und Saturierten bei ihren Bauchschmerzen, aber nicht denen, die an Hunger verrecken? Und das sage ich nicht gegen Gott, sondern gegen die, die sich mit im auf den Rücken der Leidenden mit ihm verbünden.
Dabei es geht nicht um Miesepetrigkeit, sondern um eine theodizee-empfindliche Sprache, die sich bewusst macht, was sie postuliert.
Zu mir: Wenn ich bete (Und liebe Britta, erinnern Sie sich wenigstens? No risk, no fun. - http://a.sonntag-sachsen.de/2013/02/28/sprechen-und-schweigen/comment-pa... und folgende.), fühle ich mich in der Pflicht – und zugleich hilflos – und darum voller Hoffnung und Vertrauen auf den Gott, der sich das letzte Wort nicht nehmen lässt. Und wenn ich mich um meine Kinder sorge, bete ich völlig naiv und unangemessen – angesichts derer, die ihre Kinder im Mittelmeer ertrinken sehen (https://www.youtube.com/watch?v=De8KqTV7Fp8 ).
Was ist Gebet? Kierkegaard meinte mal: "Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still. Ich wurde, was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist, ich wurde ein Hörer. Ich meinte erst, Beten sei Reden. Ich lernte aber, dass Beten nicht bloß Schweigen ist, sondern hören. So ist es: Beten heißt nicht, sich selbst reden hören. Beten heißt: Still werden und still sein und warten, bis der Betende Gott hört." Als Platoniker würde ich sagen: Im Gebet such ich die und erfreue ich mich an der Anschauung Gottes. Und darin wohnt meine ganze Hoffnung auf die Zukunft – auf das Zukommen Gottes; auf sein Heil, das aufscheint im Unheil meiner Welt, in der ich doch so gut und so schön lebe. Und ich erinnere an den geschmähten Adorno: "… nicht nur bestehendes Leid abgeschafft, sondern noch das unwiderruflich vergangene widerrufen wäre."
In diesem Sinne – IN DIESEM Sinne – finde ich die Freude über einen Bischofskandidaten, der gewählt wurde, ein bisschen jämmerlich. ABER: Hier spreche ich nur von mir.
2: Zur Fortpflanzung beim Menschen braucht es einen Mann und eine Frau, aber keine Familie. In der Natur ist es noch bunter. Natürlich ist geschnacksel, gevögel, gezwitscher, dass sich ein frommer Christ mit seinen Kindern zu der Jahreszeit gar nicht aus dem Haus trauen darf. Es gibt Primaten, die uns sehr nahestehen, da dient Sex der Ent-Spannung, der Gruppenverbundenheit, dem Stress-Abbau. Da treiben es alle mit allen zu allen Zeiten. Das ist Natur. Und die evolutionären Angebote sind noch viel breiter. Aber: Bei der Reproduktion werden manche Weibchen wählerisch – da werden die Windhunde bevorzugt. Für die Aufzucht dann aber die Schoßhündchen. Auch das kennen wir aus der Menschenwelt (Wir entkommen unserer Natur nicht ganz.) Und – wenn es mir an der Stelle erlaubt ist – manchmal wird das sublimiert. Liebe Britta, Sie erinnern sich sicher, dass Sie mich mal für mein – nun – gesundes Selbstbewusstsein lobten (Britta sagt: 8. August 2013 um 09:36 Lieber Paul, gratuliere zum beneidenswerten Selbstbewußtsein: “besonders “bevollmächtigter” Verkündiger”.., dazu noch jung, schlank (war die italienische Küche gut?), attraktiv, klug und gebildet… oh Mann, kann mich jetzt an keine Frau erinnern, die jemals sowas von sich sagte amüsierte Grüße Ihre Britta)? Darum beziehe ich folgendes Geplänkel auf mich: http://a.sonntag-sachsen.de/2013/02/28/sprechen-und-schweigen/comment-pa... – nun wird der Beobachter wieder toben und schäumen. Und wir werden nicht wissen, warum. Vielleicht, weil er auf mich eifersüchtig ist – wie es der verehrte Doppelguenther unter Doppelguenther sagt: 27. August 2012 um 20:52 meinte. Vielleicht, weil er auf Sie eifersüchtig ist – wie Sie es unter Britta sagt: 21. Februar 2014 um 18:24 vermuteten: "Auch Beobachter bewundert Sie, und je heftiger sein Dementi ausfällt, umso mehr."
Nun kommt zu dem, was wir Natur nennen – und was nicht unproblematisch ist auf Grund der Wortgeschichte – noch die Kultur. Und da gibt es Veränderungen – schon immer. Unser Familienverständnis hat mit dem biblischen nicht sehr viel gemein. Gott sei Dank. Frauen sind kein Besitz des Mannes mehr – zur ständigen Verfügung. Vieles, was hier an Familien aus islamischen Kulturkreisen (Auch da gibt es Unterschiede.) kritisiert wird, war in biblischen Zeiten selbstverständlich auch für biblisches Verständnis. Unsere heutigen Familienvorstellungen sind im 18./ 19. Jahrhundert entstanden und entsprachen damaligen Vorstellungen und Notwendigkeiten. Die dürfen wir getrost in die Tonne klopfen. Und zum Glück müssen Frauen heute nicht mehr so leben wie in den 50./ 60. Jahren – auch, wenn es für manche Männer bitter ist, dass es heute den Straftatbestand "Vergewaltigung in der Ehe" gibt, Frauen ein eigenes Konto führen dürfen und ihren Mann nicht mehr um Erlaubnis bitten müssen, wenn sie arbeiten gehen wollen.
Heute verändert sich wieder etwas. So ist das eben. Davon verschwindet die Ehe nicht und die Familie nicht. Und wenn sich heute Menschen, die gleichgeschlechtlich begehren, in eine bürgerliche Verantwortungsgemeinschaft – genannt Ehe – begeben wollen, ist das doch ganz im Sinne konservativer Wertevorstellungen (http://www.der-postillon.com/2012/08/ratgeber-alles-was-sie-zum-thema.html – in dem Zusammenhang sprach ein guter Bekannter mal vom Neid der Heterosexuellen auf die Homosexuellen, die es ja viel besser hätten – bei den Sex-Möglichkeiten. In langfristigen Beziehungen gäbe es so ausgefallene Sexpraktiken: Montag: Ausgefallene Sexpraktik! Dienstag: Ausgefallene Sexpraktik! [Bitte selbst vervollständigen.].).
Solange Menschen diese verbindliche Partnerschaft suchen, ist das ein Zeichen der Kraft bürgerlicher Vorstellungen. Und unter uns: Sowohl homo- als auch heterosexuell orientierte Menschen lassen sich nicht vorschreiben, wie und was sie zu machen haben. Und auch hier gilt: Früher war es noch besser. Es ist also ausgesprochen bigott, was wir Heteos an der Stelle abziehen. Und noch einmal: Wer unter Euch noch ein Auge hat, aus dem er einen Balken ziehen kann, werfe – falls er noch eine Hand hat – den ersten Stein.
Zum Abschluß: Bitte lächeln, es geht noch primitiver und ich habe jetzt auch von mir selbst geredet als der einzigsten primitivsten Inteligenzbestie.
Herzlich
Ihr Paul
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