Gert Flessing schreibt:
01. Juni 2015, 9:39
Lieber Herr Flessing,
es geht doch nicht um die Nazi-Keule. Darin spiegeln sich Muster – etwa Angst vor dem Fremden. Da lässt sich soziologisch vieles darstellen. Und es ist erst einmal keine moralische Bewertung, sondern eine Analyse.
Ich stimme Frau Graul, deren Beiträge ich sehr schätze, an der Stelle nicht zu – auch, wenn ich sie verstehe. Ich meine, dass Dr. Rentzing die Chance haben muss, seine Position als Bischof neu zu bestimmen. Aber ich bekenne gern, dass der Vorrat an Vertrauen sehr klein ist. Es kommt also darauf an, dass er vor seiner Einführung schon deutlich Position bezieht.
Und bitte: Wir sollten nicht Gott für unseren Bischof verantwortlich machen. Das ist unsere Sache. Mit ihm und allen gemeinsam sollten wir fragen, wie wir angemessen in der Nachfolge Jesu leben.
Ansonsten stimme ich Ihnen zu: Wer will so ein Amt?
Herzlich
Ihr Paul
Carsten Rentzing knapp zum Landesbischof gewählt
Das war der Bischofswahl-Krimi - und das will der künftige Landesbischof Carsten RentzingKünftiger Landesbischof will Hand über Gräben reichen
Die Wahl war knapp - in seinen ersten Worten vor der Landessynode ging der gerade zum künftigen Landesbischof gewählte Carsten Rentzing auf all jene zu, die ihm wegen seiner konservativen Positionen kritisch gegenüber stehen. "Ich möchte all jenen, die mir ihre Stimme nicht geben konnten und vielleicht auch Sorgen mit meiner Wahl verbinden, signalisieren, dass ich für jeden in dieser Landeskirche ein offenes Ohr und ein offenes Herz haben werde", sagte der Markneukirchener Pfarrer. "Es ist meine tiefste Überzeugung, dass uns der Herr zusammengerufen hat. Ich reiche Ihnen allen die Hand und bitte Sie nur um das Quäntchen vorauseilendes Vertrauen, das jeder in einem solchen Amt nötig hat." Vor der Presse betonte er, dass er sich nicht als Vertreter eines bestimmten konservativen Teils der Landeskirche sehe. "Ich hoffe sehr, dass meine Hand, die ich über die Gräben reichen will, angenommen wird."
Warum kam es zu dieser längsten Bischofswahl der sächsischen Kirchengeschichte - und was sagt sie über die Landeskirche aus? Hintergründe lesen Sie im nächsten SONNTAG. Dazu ein großes Interview mit dem künftigen Landesbischof Carsten Rentzing. Und Sie erfahren, was Synodale sagen, die nicht für Carsten Rentzing gestimmt haben.
14:57 Das Finale
Synodenpräsident verkündet das Ergebnis des sechsten Wahlgangs: 40 Synodale stimmen für Carsten Rentzing, 38 für Tobias Bilz, eine Stimme war ungültig. Damit ist der Markneukirchener Pfarrer Rentzing neuer sächsischer Landesbischof, wenn Jochen Bohl Ende August aus dem Amt scheidet. Carsten Rentzing atmete tief durch, reichte Tobias Bilz die Hand - dann folgt die Schlange der Gratulanten. Fast die Hälfte von ihnen hat für seinen Gegenkandidaten gestimmt. Nun wird er auch ihr Bischof sein.
12:50 Nachdenken und diskutieren
In der Mittagspause wird viel diskutiert in der Dresdner Dreikönigskirche. Alles scheint offen: Wird es im sechsten wahlgang eine Mehrheit geben - oder bleibt das Unentschieden? Gerade die Synodalen, die sich bei der - geheimen - Wahl für keinen der beiden Kandidaten entscheiden konnten, werden jetzt die Last spüren: Kompromiss oder Blockade der Wahl? So oder so, es ist eine schwere Gewissensentscheidung. 14:45 wird wieder gewählt.
11:45 Uhr Ergebnis fünfter Wahlgang
Was befürchtet wurde, trat ein: Selbst in der Stichwahl gibt es keinen Sieger. Carsten Rentzing gewann 39 Stimmen, Tobias Bilz 37 Stimmen - für eine Mehrheit nötig wären 40 Stimmen. Schuld daran sind drei Enthaltungen. Offenbar können sich einige Wähler von Dietrich Bauer und Margrit Klatte für keinen der beiden Kandidaten erwärmen. Offen ist, wie dieses Patt gelöst wird. Synodenpräsident Otto Guse bittet das Präsidium und die Ausschussvorsitzenden zur Beratung. Wahrscheinlich, um nach Wegen zu suchen, auch die unentschlossenen Synodalen zu einer Entscheidung für Bilz oder Rentzing zu bewegen. Denn klar ist: Ohne eine Mehrheit ist kein Bischof gewählt.
Sonntag 11.30 Uhr Fünfter Wahlgang
Jetzt werden zum fünften Mal Stimmen abgegeben in der Dresdner Dreikönigskirche: Wird diesmal einer der beiden Kandidaten Carsten Rentzing und Tobias Bilz die Mehrheit erringen? In 15 Minuten wissen wir mehr.
19.23 Uhr Vierter Wahlgang
Es bleibt spannend: Viele Synodalen haben in den letzten Stunden in Grüppchen versucht, sich gegenseitig von einem gemeinsamen Gegenkandidaten zu Pfarrer Carsten Rentzing zu überzeugen. Das Ergebnis: Im vierten Wahlgang ging der Vorsprung von Pfarrer Carsten Rentzing leicht auf 34 Stimmen zurück, Landesjugendpfarrer Tobias Bilz kam ihm mit 31 Stimmen dicht auf die Fersen. Pfarrerin Margrit Klatte bekam 12 Stimmen und Oberlandeskirchenrat Dietrich Bauer wählten zwei Synodale.
Im nächsten Wahlgang geht es morgen Vormittag nun in die Stichwahl unter den beiden aussichtsreichsten Kandidaten Rentzing und Bilz. Synodenpräsident Otto Guse dankte Margrit Klatte und Dietrich Bauer für ihre Kandidatur: "Wir danken Ihnen, dass Sie das für uns getan haben." Jetzt ist die große Frage: Wohin wandern die 14 Wähler von Margrit Klatte und Dietrich Bauer? Es ist keineswegs ausgemacht, dass Sie nur Tobias Bilz zugute kommen. Und: Für die Wahl braucht einer der Kandidaten mindestens 40 Stimmen. Sollte es aus dem Klatte- oder Bauer-Lager viele Enthaltungen geben, bleibt ein Patt. Auch der morgige Wahltag könnte lang werden.
16.05 Uhr Dritter Wahlgang
Der Markneukirchener Pfarrer Carsten Rentzing baut seinen Vorsprung auf 35 Stimmen aus, Landesjugendpfarrer Tobias Bilz verharrt bei 23 Stimmen. Die Dresdner Pfarrerin Margrit Klatte konnte ihre Stimmenzahl leicht auf 17 Steigern, die Zustimmung zu Oberlandeskirchenrat Dietrich Bauer sank auf 4 Stimmen. Keiner konnte eine Mehrheit gewinnen. Jetzt wird auf den Fluren der Dresdner Dreikönigskirche diskutiert, ob ein Kandidat zurückzieht - und wem dessen Stimmen zufallen könnten. Der nächste Wahlgang steht 19.05 an.
12.51 Uhr Zweiter Wahlgang
Der Vorsprung des Markneukirchener Pfarrers Carsten Rentzing zeigt sich auch im zweiten Wahlgang: wieder 33 Stimmen. Landesjugendpfarrer Tobias Bilz konnte mit 23 Stimmen nun drei mehr als im ersten Wahlgang verbuchen - die Stimmenzahlen für die Dresdner Pfarrerin Margrit Klatte sanken hingegen von 16 auf 15 und die für Oberlandeskirchenrat Dietrich Bauer von 10 auf 8. Auch diesmal erreichte kein Kandidat die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit. Ab dem nächsten Wahlgang nach 15.50 Uhr genügt eine einfache Mehrheit. Jetzt ist aber erst einmal Mittagpause.
9.35 Uhr Erster Wahlgang
79 Synodale geben zum ersten Mal ihre Stimme ab - das Ergebnis: Der Markneukirchener Pfarrer und EKD-Synodale Carsten Rentzing kann mit 33 Stimmen mit Abstand die meisten Synodalen hinter sich vereinen, verfehlt aber die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit. Ihm folgen Landesjugendpfarrer Tobias Bilz mit 20 Stimmen, die Dresdner Pfarrerin Margrit Klatte mit 16 Stimmen und Oberlandeskirchenrat Dietrich Bauer mit 10 Stimmen. Der zweite Wahlgang folgt 12.35 Uhr.
Hintergrund
Eines steht schon vorher fest: Der Ausgang dieser Tagung der Landessynode ist offen. Nicht nur bei der Frage, welchen der vier Kandidaten die 80 Synodalen am Wochenende zum neuen Landesbischof oder zur Landesbischöfin wählen – sondern auch, nach wie vielen Wahlgängen dies geschehen wird.
Am Freitagabend werden sich die Kandidaten Dietrich Bauer, Tobias Bilz, Margrit Klatte und Carsten Rentzing den Synodalen mit einem zehnminütigen Vortrag vorstellen und Fragen beantworten. Wahrscheinlich wird die Öffentlichkeit dabei auf Antrag des Synodenpräsidiums ausgeschlossen, um Vertraulichkeit zu wahren. Auch die jeweils anderen Kandidaten dürfen nicht zuhören. Wenn die Synodalen im Anschluss daran über ihre Eindrücke und Einschätzungen miteinander beraten werden, sind auch die Mitglieder des Landeskirchenamtes unerwünscht.
Gewählt wird am Sonnabend – öffentlich. Nach 9.15 Uhr soll der erste Wahlgang beginnen. Die Synodalen müssen auf Stimmzetteln ein Kreuz hinter einen der vier Namen machen. Die Hürde liegt im ersten und zweiten Wahlgang hoch: Gewinnt keiner eine Zwei-Drittel-Mehrheit, wird neu gewählt. Allerdings müssen zwischen der Auszählung und einem neuen Wahlgang mindestens drei Stunden liegen – das macht den Wahltag lang.
Nach dem zweiten Wahlgang zur Mittagszeit genügt für einen Sieg dann eine 50-Prozent-Mehrheit – aber die wird bei vier Kandidaten auch nicht leicht zu erreichen sein. Also wird dann das Rechnen und Ringen beginnen der Kandidaten mit sich und Gott: Welcher der vier zieht zurück, und wem fallen dessen Wähler zu? Diese Dynamik lässt sich nicht voraussagen.
Steht nach vier Wahlgängen am Sonnabendabend noch kein Sieger fest, wird es am Sonntag nach 11.30 Uhr einen fünften Wahlgang geben. Dann dürfen nur noch die beiden erfolgreichsten Kandidaten antreten. Gibt es dann keine Stimmengleichheit oder zu viele Enthaltungen ist klar: Sachsen hat einen neuen Landesbischof – oder erstmals eine Bischöfin.
Was die Kandidaten gerne ändern würden, wenn Sie Bischof oder Bischöfin wären und wie sie ihr Amt ausfüllen würden, sehen Sie hier:
Das Video zeigt einen Ausschnitt aus der Podiumsdiskussion zur Vorstellung der Bischofskandidaten in der Dresdner Kreuzkirche vom 11. Mai 2015.
Lieber Paul,
darf ich fragen, warum Sie meinen, ich würde Herrn Rentzing nicht zugestehen, "seine Position als Bischof neu zu bestimmen"?
Ich schrieb lediglich, dass es dafür kein "vorauseilendes Vertrauen" geben kann. Die Chance hat er, wenn er sie nutzt, kann sich Vertrauen entwickeln (wie eben dadurch, dass er bereits vor seiner Einführung deutlich Position bezieht). Blindes Vertrauen darauf, dass schon alles gut werden wird, kann ich der Kirche nicht entgegenbringen - dafür habe ich zu viel in ihr gesehen und mit ihr erlebt.
"Wer will so ein Amt"? Nunja, da gab es vier Kandidaten, die es wollten.
Sabine Graul schreibt:
01. Juni 2015, 10:33
Liebe Frau Graul,
ich gestehe ihm das Vertrauen zu, um welches er bittet. Aber ganz bestimmt kein blindes Vertrauen. Nun liegt es an ihm, dieses Vertrauen zu rechtfertigen. Und da hat er bis (!) zu seiner Einführung Zeit. Er muss ja nicht nur die Menschen für sich gewinnen, die ihn nicht gewählt haben, sondern auch die Pfarrerinnen und Pfarrer in Sachsen. Und da hoffe ich doch sehr, dass diese sich vor ihre Kolleginnen und Kollegen stellen, die nach dem Beschluss der Kirchenleitung nun endlich mit ihren LebenspartnerInnen zusammenleben können – wie andere auch (Und das in all den bigotten Einschränkungen, welche mit dem Beschluss verbunden sind.).
Ich hab auch einiges mit der Kirche erlebt. Aber wissen Sie was: Auch Gutes – manchmal von überraschender Stelle. Ein Grund, warum ich hier so engagiert bin (Schön, dass Sie noch und immer wieder mal mitschreiben.).
Herzlich
Ihr Paul
Danke.
Wenn ich glaube, etwas zu sagen zu haben, tue ich das. Bei mehr als 100 Beiträgen unter einem Artikel bin ich dann aber irgendwann raus. Das ist mir zu unübersichtlich - naja, und inhaltlich kommt dann auch kaum etwas Neues.
Liebe Frau Graul,
ich kenne Rentzing nicht. Aber er wurde von der Synode gewählt, WEIL er der ist, der er ist. Offenbar ist er mehr und anders, als wir aus der Ferne sehen. Von daher wünsche ich ihm sehr, dass er der bleibt der er ist + als solcher das Vertrauen derer gewinnt, die ihn jetzt noch ablehnen.
Wir brauchen einen Bischof der eine klare Haltung hat und die überzeugend vertritt. Nichts wäre schlimmer als ein Hampelmann, der tagtäglich "seine Position neu bestimmt", nur weil irgendwelche Leute das von ihm fordern bzw. weil die Bildzeitung ihm die vorgibt. Von denen sitzen schon genug auf den Bischofsstühlen.
A.Rau
Ich habe in einem anderen Kommentar gelesen: "es wurde solange gewählt, bis es passte".
Der Eindruck bleibt, wenn man sich das Wahlergebnis ansieht. Am Ende wurden Strippen gezogen (O-Ton: "zur Beratung gebeten"), um die drei Enthaltungen zu einer Entscheidung zu bewegen.
Wir haben alle an diesem Tag verloren.
Alle? Ich denke, es gibt einen neuen Bischof? Und viele (bibel)treue KIrchgänger freuen sich!
Dr. Renzing hatte in alle Wahlgängen die meisten Stimmen. Ich glaube nicht, daß wir verloren haben, wir haben einen neuen Bischof gewonnen! Gottes Segen für die schwirigen Aufgaben, die er übertragen bekommt.
Tommy
Liebe Frau Graul,
warum mich die Andeutungen von "Wahlmanipulation" und Bemerkungen wie "es wurde solange gewählt...." immer bei Ihnen aufregen, weiß ich nicht, sie fallen ja auch bei anderen. Ist Ihnen nicht deutlich, wie unwahrscheinlich die Wahl von Rentzing war? Kennen Sie die Landeskirche Sachsens so schlecht? Dieses Ergebnis war beim besten Willen nicht herbeizumanipulieren. Es ist eher ein Zeichen einer wirklichen Unabhängigkeit der Synode. Man sollte ihr gratulieren zu so viel Mut.
Lieber Manuel,
so unwahrscheinlich war die Wahl von Dr. Rentzing nun auch nicht. Es ging die Rede: "Bei den Pfarrern würde er keine Mehrheit bekommen!?" Aber da die Synode zu 2/3 aus Laien besteht, läuft das eben anders; die Laien fragen nicht nur nach theologischen Kernaussagen, sondern auch nach dem Erscheinungsbild, der Wortgewandtheit/Eloquenz, der Direktheit der Aussagen usw. Und so ist es eben nun gekommen. 'Jede Landeskirche bekommt den Bischof, den sie verdient', sagte mal jemand. Und bei der Mehrheit von 1 Stimme hat Dr. Rentzing sicher die große Aufgabe, den Rest der Landeskirche zu gewinnen. Dazu verhelfe ihm GOTT.
Mit freundlichem Gruß
Johannes Lehnert
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