zur zeit finde ich die allgegenwärtige gewalt bedrohlich, in den medien und an verschiedenen plätzen rund um und auch in europa - so als hätten wir aus den kriegen nichts gelernt oder werden die erfahrungen mit den alten begraben. der 11. september 2001 veranlaßte mich z folgendem gedicht, was ich immer passender finde:
Gebet
herr, die welt hat sich verändert,
es ist ein feuer in die welt gekommen,
mein herz zittert vor angst,
das dieses feuer auch meine kinder frißt.
herr, die welt wurde erschüttert,
von drei schlägen,
ich wage gar nicht zu lauschen,
ob der schlag auch mein haus trifft.
herr, ich bete
dass wir alle lernen mögen,
dass uns der feuerschein die augen aufreißt,
der donnerschlag die herzen öffnet,
für das leiden,
für die schmerzen,
für den tod
der menschen, der bäume, der tiere, der bauern,
dass wir die erde- und menschenfressenden
maschinenhyänen bannen können, die gold scheißen,
gold und bananen, kaffee und diamanten.
herr, ich bete,
dass sie den mut haben zu trauern,
mit den kindern, mit den frauen,
mit den krüppeln aus den alten kriegen,
das sie in ihre wunden hineinsteigen,
herr, ich bete,
dass die krieger ihre tränen spüren,
dass die krieger ihre schmerzen spüren,
dass die krieger ihre angst spüren,
und kein weib ein rachegeheul anstimmt,
dass sie ihre kleinheit spüren,
das sie die waffen begraben
um das brot zu teilen.
ich will doch als alter mann
unter einem blühenden baum sitzen und
die kinder der kinder meiner kinder
auf den knien schaukeln.
oh herr,
gib uns den mut und die weisheit,
lass uns in unser menschsein wachsen.
amen
frank haake, dresden, 12. september 2001
www.ole-bildermensch.de
Gott auf dem Schlachtfeld
Millionen Menschen starben im Ersten Weltkrieg – auch die Kirche rief zum Gemetzel. Danach war einigen Theologen klar: Gott ist ganz anders. Und selbst tief unten im Abgrund.Es war in der Schlacht um die Champagne, es war mitten im großen Sterben, als auch eine ganze Theologie tot im Schützengraben lag. »Es war in einer Nacht, in der viele meiner Freunde tödlich verletzt wurde, in der schmerzlichen Schlacht. Und ich musste mit ihnen reden und sie starben überall um mich herum.« Der alte Gelehrte mit dem schlohweisen Haar antwortet in einem sehr deutschen, sehr leisen Englisch, als ein amerikanischer Fernsehreporter den großen Theologen Paul Tillich (1886–1965) nach dem Wendepunkt in seinem Denken fragt.
Der Deutsche räuspert sich, stockt: »Ich habe die tiefste negative Seite des Lebens gesehen in dieser Nacht. Und meine Augen wurden für immer geöffnet.«
Tillich hatte sich zu Beginn des Weltkrieges 1914 freiwillig als Feldgeistlicher an die Westfront gemeldet, ein Jahr später brach für ihn alles zusammen, was er bis dahin gelernt hatte: all der Idealismus in Philosophie und Theologie, all der Glaube, dass alles immer besser werde und Gott mit dem Fortschritt Hand in Hand ginge. »Das vierjährige Erleben des Krieges riss den Abgrund für mich und meine ganze Generation so auf, dass er sich nie mehr schließen konnte«, schrieb Tillich später.
An diesem Abgrund musste sich für ihn künftig alles messen, was über Glaube und Gott gesagt wird. Tillich fand als Professor an der Technischen Universität Dresden und ab 1933 vor den Nazis nach Amerika geflohen radikale Antworten: Der gefeierte Theologe konnte sich Kirche nur noch als eine echte Begegnung mit den existentiellen Problemen der Menschen vorstellen, in der sich die Fragenden verändern und auch die Antwortenden, sogar Gott selbst. Als eine lebendige Beziehung zu Gott, mitten im Abgrund. Er kannte nach dem Schlachten keinen anderen Ort mehr dafür.
In einem Schweizer Industriedorf liest kurz nach Kriegsbeginn ein Landpfarrer das Manifest von 93 deutschen Elite-Gelehrten, die sich hinter des Kaisers Kriegspolitik stellen – und entdeckt mit Entsetzen darunter die Namen all seiner verehrten Theologieprofessoren wie Adolf von Harnack. »Ich habe eine arge Götterdämmerung erlebt«, schreibt der junge Schweizer Pfarrer: »Wie Religion und Wissenschaft restlos sich in geistige 42 cm Kanonen verwandelten. ... Ich wurde irre an der Lehre meiner sämtlichen Theologen in Deutschland.« Der Name des Pfarrers: Karl Barth (1886–1968).
Auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs zerbrach die liberale Theologie: Eine Theologie, die vom aufklärerischen Glauben an die Vernunft geprägt war, die im Fortschritt das Reich Gottes suchte. Die die Bibel so lange historisch-kritisch zerlegte, bis nicht viel mehr übrig blieb als bürgerliche Moral und Kultur. Die zehn Millionen Toten des Ersten Weltkrieges lehrten das Scheitern von Kultur und Moral.
Karl Barth war entsetzt. Und konnte den Glauben nur noch radikal anders denken: Es gibt einen unüberwindlichen Abstand zwischen Christentum und Kultur, Gott und Mensch, Schöpfer und Geschöpf. Gott ist der »ganz Andere«. Nicht durch ausgeklügelte Theorien, nicht durch Frömmigkeit, nicht durch Kultur oder Moral – nur wenn Gott sich wie in Jesus Christus selbst offenbart, kann ihn der sündige Mensch erkennen. Viele Theologen folgten Barth. Denn der Krieg hatte monströs gezeigt, was geschieht, wenn Gott mit menschlichen Wünschen oder Ideologien verwechselt wird.
Am Grunde aller Katastrophen, die auf den Ersten Weltkrieg folgten, fand der Theologe Paul Tillich jenen Abgrund, in den er schon in der Nacht in der Champagne geblickt hatte: »Den Abgrund der Sinnlosigkeit.« Ist dort unten Gott? Er erscheine dem Menschen oft erst dann, schrieb Tillich, wenn er bereits »in der Angst des Zweifels untergegangen ist«. Jene Kriegsnacht hatte es ihn gelehrt.
Als die Wolken des drohenden Weltkrieges im Juli vor genau 100 Jahren auch über Sachsen heraufzogen, bat der Leipziger Universitätsprediger und spätere Landesbischof Ludwig Ihmels vor den Studenten Gott um Frieden – und predigte doch: Wenn dieser Krieg kommt, ist er von Gott gewollt, tut eure Pflicht! Wie konnte es zu dem Massenschlachten des Ersten Weltkriegs kommen – und wie dazu, dass die Kirche ihn so sehr stützte? Die Predigten des Theologieprofessors Ludwig Ihmels in der Leipziger Universitätskirche zwischen 1914 und 1918 geben darauf eine Antwort. Sonntag-Redakteur Andreas Roth hat sie in der Sächsischen Landesbibliothek gefunden. Ein deutsches Drama und Zeugnis vom Versagen und Neubeginn der Kirche - Sie lesen es online hier im SONNTAG-Digital-Abo.
Lieber P.D., Sie schreiben: „Würde ich Ihrer Logik folgen, müsste heutzutage, wo die HKM nach wie vor anerkannte und angewandte Methodik ist, Nationalismus und Kriegsbegeisterung die Folge sein. Ich stelle jedoch fest, dass dem nicht so ist. Da kann also irgendwie etwas nicht stimmen.“ Wenn das kein Dummstellen ist, was ist es dann? Wollen Sie ernsthaft behaupten, „Nationalismus und Kriegsbegeisterung“ seien heute „Grundtendenz … in der deutschen Gesellschaft“? Nun ja, ich habe den mit dem Jawoll in Erinnerung als einen, der gern das letzte Wort hatte. Aber davon abgesehen sind ausführliche Gespräche hier ohnehin nicht mehr möglich. Spätestens nach der 50. Lesermeinung verliert man die Lust, weil es zuviel Mühe macht, da überhaupt erst mal ranzukommen. Alles Gute!
@A.Rau: Sie behaupten, die HKM sei die Ursache für Hurra-Patriotismus in der Theologie am Anfang des 20. Jhdts. Ich frage, wieso dann bibeltreue, wertkonservative Theologen in das gleiche Horn blasen? Sie verurteilen: "Und Johannes zeigt mit dem Finger auf andere. (Selbstverständlich haben „bibeltreue, wertkonservativen Theologen“ auch Fehler gemacht. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob Niemöller dazu zählt.) Darüber hinaus gibt es noch ca. 1 Million weitere Methoden, von dieser Anfälligkeit abzulenken, sie schönzureden, Sündenböcke zu benennen usw. usw. "
- Das ist die Methode, den von Ihnen angeblich gewünschten Gesprächsprozess zu töten. An dem Grab schaufeln Sie doch bitte allein weiter!
- PS: Mein Vater, der bibeltreue, wertkonservative Gemeinschaftsprediger hielt sehr viel von Niemöller. Am meisten liebte er dessen Glaubens-Orientierungs-Frage: "Was würde Jesus dazu sagen?"
Also, ich verstehe die Quintessenz des Anliegens von Herrn Rau: so wie damals die Kirche mehrheitlich in das Horn der herrschenden Meinung getutet hat, ist zu befürchten, daß dies auch heute der Fall ist. Damals war man sich der Richtigkeit des entsprechenden "Christseins" bewußt, heute ist es genauso. Und während heutzutage eben Jesus für rotgrüne Ziele bemüht wird, waren es damals entsprechende andere Ziele. Den IRRTUM haben nicht unsere Vorfahren abonniert! Natürlich sollte nicht unerwähnt bleiben, daß sich vieles über die Jahrhunderte im Glauben gewandelt hatte und heutzutage allgemein anerkannt ist, aber die zeitgeistbegründenden Irrtümer scheint es zu jeder Zeit zu geben. Da ist es gut, wenn Menschen Irrtümer eingestehen können, wie der ehemalige NSDAP-Wähler Martin Niemöller...
@A.Rau: Oder meinen Sie, wir würden Ihre unhistorisch-kritische Methode nicht durchschauen? : Zwei Theologen blasen in das nationalistische Horn. Bei dem "liberalen" ist es systemimmanent (HKM), bei dem wertkonservativen, bibeltreuen ist es ein Fehler, der einem auch mal unterlaufen kann. Nein, es ist d e r s e l b e Fehler! Und meine darauf zielende Frage wird eingeordnet in die Abermillionen Möglichkeiten, von der Wahrheit (IHRER Wahrheit!) abzulenken. Ich habe verstanden: So geht Gesprächsprozess!
Liebe Britta, als 1914 der WWI ausbrach, hatte Deutschland keine wirklichen Interessen, um derentwillen es Krieg führen musste. Deutschland war auf dem Weltmarkt vorn. Die Kolonien waren auch eher ein Zuschussgeschäft, so dass man sich nciht nach einer wirklichen Ausdehnung sehnte. Rohstoffe hatten wir zwar nicht in jeglicher Form, aber Kohle und Stahl zur Genüge.
Von daher ist ein Kriegstreiben der Konzerne eher nicht denkbar.
Als der Krieg begann, hoffte der deutsche Generalstab eigentlich bis zuletzt, dass belgien sich dem durchmarsch nicht entgegen stellen würde. Hätte Belgien still gehalten, ware es möglich gewesen, dass England nicht in den Krieg eingetreten ware.
Andererseits war es gerade England, das ein Interesse daran hatte, Deutschland als Konkurenten auf dem Weltmarkt auszuschalten. Außerdem fühlte es sich durch die deutsche Hochseeflotte herausgefordert, obwohl diese durch ihre weitgehende Abhängigkeit von Kohle, nur für begrenzte Operationen taugte. Aber man hatte in England einen Ansatzpunkt, um sich gegen Deutschland zu positionieren. Das hier jedoch sehr stark wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielten, ist unbestritten. Auch die enge Verbindung zwischen Deutschland und der Türkei war den Britten ein Dorn im Auge, hatte man doch schon ein solches auf die Erdölvorkommen im arabischen Raum, der ja noch zur Türkei gehörte, geworfen.
Gert Flessing
Nun, Ihr Christen, die bekennendermaßen eigentlich ihre Kraft für die Stärkung der Gemeinde einsetzen: Warum streitet Ihr hier um die richtige Interpretation des 1. Weltkrieges? (Wobei mir die Bezeichnung WW1 doch sehr abgehoben erscheint!) Hat nun die Deutung der Sozialisten, dass D. zu kurz gekommen ist bei der Verteilung der Welt und den Krieg will ,oder die bürgerliche, die dem Kaiser den Friedenswillen bescheinigt, oder die scheinneutrale Sicht aus dem Weltraum recht? Oder ist es vielleicht wichtiger, über die Ehe zwischen Thron und Altar zu reden und darüber, ob sie heute überwunden ist? Oder hat der verstorbene Chr. Führer recht hat, dass Kirche und Straße zusammengehören? Mir jedenfalls gefiele das Gespräch über Letzteres besser. Aber ich bin ja nur Gast...
Also eigentlich wollte ich zu dem öden Zeitgeistgenöle nichts mehr schreiben, aber das ist doch zu haarsträubend ... Was bitte hat die historisch-kritische Methode mit der Kriegsbegeisterung des Ersten Weltkriegs zu tun? Gab es auch nur EINE theologische Strömung, die davon nicht erfaßt war? Was bitte haben die DC mit der liberalen Theologie zu tun? Althaus und Elert, die den Ansbacher Ratschlag verfaßten, waren alles, aber keine liberalen Theologen. Und was hat das 'Entjudungsinstitut' mit dem neuen Gender-Forschungszentrum zu tun? Schon der Vergleich ist eine absolute Unverschämtheit. Die evangelische Kirche hält eine wohltuende Distanz zur Macht -- das ist der Unterschied heute. Es gibt genug kritische Stimmen beispielsweise zu Bundeswehreinsätzen (von der hier vielgeschmähten und beleidigten Dr. Käßmann z.B.). Aber wenn man nur noch aus einer einzelnen Schießscharte aus dem gebuddelten Graben feuert, muß man sich nicht wundern, daß solcher Unsinn dabei herauskommt.
Lieber Michael,
hier hat die Gehirnwäsche-Methode ihre offensichtliche Wirkung gezeigt: Alles, was bestimmten Leuten nicht genehm ist, wird bedenkenlos der HKM in die Bibel in gerechter Sprache geschoben. Und damit ist man jedes Nachdenkens über andere Meinungen ledig...
Lieber Herr Flessing, ich sehe es so wie Sie, außer die Sache mit Belgien, die nur ein wohlfeiler Grund für England war, endlich in den Krieg gegen diejenigen einzutreten, die die "Balance of Power" wagten zu stören. Aufmarschpläne durch Belgien gab es übrigens auch vom französischen Generalstab, der Deutschland in die Zange nehmen wollte. Letztlich, wer hat England und den USA den Krieg erklärt, als diese die neutrale Schweiz bombardierten? Wichtig ist jedoch, daß die Kirche sich aus jeglicher Kriegstreiberei heraushält - ich denke, Krieg ist niemals Gottes Willen sondern Götzendienst!
Viele Grüße
Britta
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